All you need is love, love. Love is all you need…

Ach ist das wirklich so, liebe Beatles? Mein jüngeres Ich würde hier mit einem deutlichen und entschiedenen „JA!“ antworten. Doch mein älteres und erfahrenes Ich legt die Stirn in Falten und weiß, dass es leider nicht ganz so einfach ist. Doch diese Erkenntnis war teuer erkauft.

Spulen wir also einige Jahre zurück – Nach zwei Jahren intensiver Beziehung mit meiner ersten Freundin Sandy, beschlossen wir zusammen zu ziehen, um uns nicht nur am Wochenende sehen zu können, sondern jede Nacht eng umschlungen zusammen einzuschlafen und morgens aneinander gekuschelt aufwachen zu können.

Sandy war gerade dabei im Eiltempo ihren Doktor in Französisch an der Uni in Buxtehude zu machen und ich hatte gerade einen neuen Job in der Nähe meiner Heimatstadt angetreten. Sandys Traum war es schon lange für mehrere Jahre in Frankreich zu leben, doch für den Traum von unserem gemeinsamen Zuhause, schob sie ihr Vorhaben gedanklich zu Seite und wir beschlossen in einen schnuckligen Stadtteil meiner Heimatstadt zu ziehen.

Erste gemeinsame Wohnung, unser eigenes Reich schaffen – Zwei Sichtweisen, zwei Lebensweisen, zwei Welten miteinander verbinden.

Ich war überglücklich mit Sandy endlich jeden Tag verbringen zu können. Am Anfang unserer Beziehung manifestierte sich bei mir der Gedanke, dass es mir egal war, wo auf der Welt ich mich befand, solange meine bessere Hälfte Sandy mit mir war. Bei Sandy fühlte ich mich zuhause.

Doch der Übergang von einer Fernbeziehung zu wir-verbringen-jeden-Tag miteinander hatte auch eine Kehrseite. Man lernt die andere Person wirklich kennen, man entdeckt neue tolle Seiten, aber auch immer mehr gefühlte Ecken und Kanten.

Im kommenden dreiviertel Jahr wurden mir unsere Unterschiede leider immer weiter bewusst. In der Anfangszeit einer Beziehung ist man oft blind und hat eine rosa Brille an. Doch wenn sich der Schleier der anfänglichen Verliebtheit legt, ertappt man sich immer häufiger darin, dass bestimmte Eigenarten des Partners kurz anecken. Man wischt den Gedanken dann schnell zur Seite. Doch die Häufigkeit und die Verweildauer dieser Gedanken nimmt zu – bis zum Punkt, an dem man bestimmte Gedanken nicht mehr unbewusst verdrängen kann und Widersprüche aktiv wahrgenommen werden. Widersprüche in den Ansichten und Verhaltensweisen. Gegossen mit Zeit können diese Gedanken zu Fragen heranwachsen, die man sich nicht stellen möchte. Fragen wie: Passen wir zusammen? Kann ich mit meinem Partner glücklich werden? Sehe ich das „White dress and happily ever after“ am Horizont oder entgleitet es mir?

Gegensätze ziehen sich an aber gleich und gleich gesellt sich gern. Welcher Spruch trifft den Nagel nun auf den Kopf? Ich denke, dass wir sehr oft im Partner Dinge suchen, die uns bzw. unsere Idealvorstellungen ergänzen. Doch die Basis für eine langanhaltende glückliche Beziehung ist in meinen Augen, dass man in zentralen Punkten gleich tickt. Es gibt hierzu unzählige Persönlichkeitsmodelle, die natürlich stark vereinfacht sind und nur auf bestimmte Bereiche den Fokus legen. Eines dieser Persönlichkeitsmodelle teilt die unterschiedlichen Charaktere in 4 Farben ein: rot, blau, grün und gelb. Jeder Farbtyp wird durch unterschiedliche Ziele motiviert und trifft Entscheidungen auf Grund von unterschiedlichen Faktoren. Während der rote Typ danach strebt Status, Macht oder Geld zu erlangen, kennzeichnet den blauen Typ, dass er sehr rational vorgeht und meistens auf Basis der puren Faktenlage seine Entscheidungen fällt. Der grüne Typ ist ein Harmoniemensch, dem es wichtig ist, eine sichere Basis zu schaffen und auf Routinen aufbaut. Der gelbe Typ hingegen brauch andauernd neuen Input, will ständig neues erleben, viel Reisen und hat Hummeln im Hintern.

Natürlich gibt es auch Mischformen bei den Charaktertypen, aber eine Farbe ist meistens dominant. Und es gibt Farbtypen, die by Design nicht wirklich kompatibel sind, wie zum Beispiel grün und gelb. Und jetzt rate mal welchen Farblagern Sandy und ich angehörten… Sandy war gelb wie die Sonne. Direkt nach dem Abi war sie für 2 Jahre durch Australien gereist und hatte die halbe Erde schon abgeklappert. Ihre Spezialität war es für einen Apfel und ein Ei durch die Gegend zu reisen und sie zog es spätestens alle paar Wochen in fremde Städte. Ich auf der anderen Seite war grün wie das Gras. Ich brauchte eine sichere Base, war und bin ein absoluter Harmoniemensch und wiederhole Dinge, die sich richtig anfühlen gerne. Sandy und ich – zwei unterschiedliche Welten, die miteinander verschmelzen möchten. Und oh Gott waren wir unterschiedlich.

Eines von vielen Beispielen: Sandy war ein Frühaufsteher – sie liebte es mit den ersten Sonnenstrahlen aufzustehen, Wochen- und Flohmärkte abzuklappern und schon morgens das komplette Sportprogramm abzuspulen. Ich wiederum war ein Spätaufsteher, eine Nachteule, jemand der mit jeder Stunde des Tages zusätzliche Energie tankte und dessen physische und psychische Prime Time im späten Abend lag. Die Beantwortung der großen Fragen des Lebens und körperlichen Höchstleistung erbringe ich zwischen 18 und 2 Uhr nachts. Team Eule in da House *dab*. Doch wie bringt man diese gegensätzlichen Welten unter einen Hut? Es gibt zwei Antworten.

Die erste lautet: Indem man realisiert und akzeptiert, dass man in manchen Bereichen sehr unterschiedlich tickt und den Gedanken loslässt, dass man mit der anderen Person alles zusammen machen muss. Stattdessen lebt jeder seinen eigenen Rhythmus, lebt nach seinen eigenen Werten und dort wo es passt verbindet man sich und genießt die gemeinsame Zeit. Man hilft dem anderen dessen Wünsche und Träume Realität werden zu lassen und das Leben nach seinem eigenen inneren Kompass zu leben. Zwei eigenständige Menschen, die sich nicht brauchen aber sich gegenseitig wollen. Zwei Menschen, die Eigenarten tolerieren, die von der eigenen Lebensschablone abweichen und sich gegenseitig genau so lieben wie sie sind. Mit allen Ecken und Kanten.

Die zweite Anwort lautet: Man versucht sich in der Mitte zu treffen. Ich muss vorab sagen: Ich bin ein großer Gegner vom Wort Kompromiss. Ich präzisiere: Ich bin ein großer Gegner von einem gefühlten Kompromiss. Wenn man aufeinander zugeht und es sich nicht wie ein Kompromiss anfühlt: Jackpot. Doch ansonsten fühlt es sich an wie ein Zurückstecken, wie ein: keiner bekommt genau das was er will und braucht. In meinen Augen ist dafür das Leben zu kurz, zu kostbar.

Und nach und nach färbte sich unsere Beziehung genau in diese Richtung. Ich fühlte mich mehr und mehr unter Druck gesetzt auf Sandy zuzugehen. Ich spürte u.a. den Druck früh aufzustehen und viel zu reisen. Ich fühlte mich wie der Faktor in ihrem Leben, der sie daran hinderte ihrem inneren Ruf zu folgen und die Welt zu erkunden und neue Erfahrungen zu machen. Es war das erste Mal im Leben, dass ich das unterschwellige Gefühl hatte, für meinen Partner nicht genug zu sein. Gleichzeitig fielen mir immer mehr Charakterzüge von Sandy negativ auf. Es gibt einen Spruch, der besagt: Ich wünsche mir einen Schwan, der früher ein hässliches Entlein war, aber nicht weiß, dass er inzwischen ein Schwan ist. Sandy wusste, dass sie ein Schwan war – sie wurde täglich mehrmals von fremden Typen angesprochen, die ihr sagten, wie toll sie war. Ihre Freundinnen bewunderten sie und sogar viele Frauen fanden Sie attraktiv und sagten ihr offen, dass sie an sexuellen Kontakten mit ihr interessiert waren. Zusätzlich himmelten die Mädels aus dem Französisch Kurs den sie an der Universität in Buxtehude hielt sie an – kurzum sie bekam von allen Seiten gesagt, wie toll sie war.

Je mehr ich mich auf sie zubewegte, desto mehr hatte ich das Gefühl mich von mir selbst zu entfernen. Ich realisierte, dass unsere Beziehung ein Haltbarkeitsdatum hatte. Und dieses Haltbarkeitsdatum lag nicht in weiter Zukunft am Horizont des letzten Atemzugs, sondern kam unaufhaltsam immer näher. Ich realisierte, dass weder Sandy noch ich in unserer Beziehung auf lange Sicht glücklich sein würden und unsere Träume auf der Strecke bleiben würden.

Nach unserer Trennung fiel ich in ein sehr tiefes Loch. Es heißt man brauch genau so lange, um über die erste Beziehung hinwegzukommen, wie sie gedauert hatte. Das kann ich unterschreiben: 2,5 Jahre und viel Soul-Searching später, hatte ich meinen emotionalen Frieden damit geschlossen. Heute weiß ich, dass Liebe alleine nicht ausreicht. Liebe überwindet nicht alle Grenzen. Man muss auch wirklich zusammen passen, damit beide eine erfüllte Beziehung und ein authentisches Leben miteinander führen können.

Ich bin zutiefst dankbar für die gemeinsame Zeit mit Sandy und bin während unserer Beziehung enorm gewachsen. Ich habe sehr feine Fühler entwickelt, die erkennen, ob jemand zu mir passt oder nicht. Ich lebe heute nach dem Motto:„Fall in Love with the Process, not the Result“. Auf die Beziehungsebene angewendet heißt das so viel wie: Verliebe dich nicht in die Person, die dein Partner in der Zukunft sein könnte, sondern in die Person, die er heute tagtäglich ist.

Bedingungslose Liebe ist rar. Sehr rar. Man liebt dabei die andere Person nicht dafür, dass sie das eigene Leben bereichert, sondern dafür, dass sie so ist wie sie ist. Bedingungsloser Liebe fußt auf dem Wunsch, dass man unbedingt möchte, dass die andere Person glücklich wird und ein erfülltes Leben führt – auch wenn es bedeutet, dass es nicht mit dir selbst ist.

Manchmal muss man jemanden loslassen, damit er fliegen kann.

Love.