„Ich suche einen Grund, um mich von allen Dating-Plattformen wieder abzumelden – vielleicht bist du es ja?“ So oder so ähnlich könnte der passende, cheesy Profilspruch klingen, der beschreibt wie ich meine erste Freundin Sandy kennengelernt hatte.
Dating-Plattformen heutzutage bergen die Gefahr, dass man abstumpft und cold-motherfucker-mäßig einfach im Sekundentakt nach links oder rechts swipt und den ersten oberflächlichen Eindruck des Profilbildes den Ton angeben lässt. Im Meer der Möglichkeiten werden Gespräche zunehmend austauschbarer, Kontakte flüchtiger und eine verzerrte Wahrnehmung der Realität manifestiert sich. Vor allem bei der Frauenwelt, die schon am ersten Tag mit hunderten von Nachrichten bombardiert wird. Kein Wunder, dass Frau schnell denkt, dass sie on top of the world ist und nur noch nach Gründen und Makeln sucht, um die Flut der „Bewerber“ weiter auszudünnen.
Doch diese Story spielt sich noch vor den Hochzeiten von Tinder, Lovoo und Co ab. Es gab nur einen Sheriff in Town – und der hieß Friendscout24. Es war spannend, es war neu und es öffnete das Tor zu neuen spannenden Menschen und überbrückte auch große Distanzen mit nur einem Klick. Online-Dating war und ist für mich eine tolle Ergänzung zum Kennenlernen von Menschen im „echten“ Leben und bezirzt mich mit dem stillen Versprechen, dass ich hierüber einen tollen Menschen kennenlernen kann, dem ich ansonsten nie begegnet wäre. Entweder weil sich unsere Wege nie gekreuzt hätten oder weil wir nie auf die Idee gekommen wären, dass der andere uns genauso umwerfend findet wie wir ihn. Das Sahnehäubchen ist, dass beide hier einen viel sanfteren Gesprächseinstieg haben, man mehr Zeit hat seine Worte weise zu wählen und der Gesprächspartner nicht innerhalb von wenigen Sekunden ad hoc entscheiden muss, wie er auf die Avance reagieren soll – und vielleicht als Abwehrreaktion vorschnell den Rückzug antritt. So, genug der Online-Dating-Beweihräucherung.
Nachdem ich mich also bei Friendscout24 angemeldet hatte, fiel mir direkt ein Profilbild ins Auge. Im Gegensatz zu all den anderen, meist körperbetonten Bildern, war hier nur ein süßes Gesicht zu sehen, dass mir verschmilzt entgegenlächelte. Ich schrieb sie direkt an und spürte schon vom ersten Satz eine knisternde Connection zwischen uns beiden. Das Gespräch war wie ein spannendes Ping-Pong-Spiel, bei dem wir uns die Gesprächs-Bälle hin und her spielten und von Sekunde zu Sekunde zeigte sich immer mehr, wie ähnlich wir tickten und dass wir auf der gleichen Humor-Welle surften. Ihr Name war Sandy und sie wohnte 20km entfernt in einem verschlafenen Ort, der nur für seine Sprach-Universität bekannt war. Wie der Zufall es wollte – war sie am nächsten Tag in meiner Stadt und so verabredeten wir uns spontan abends auf einen Cocktail.
Als wir uns am vereinbarten Treffpunkt trafen, verschlug es mir den Atem. Sie sah noch viel süßer aus als auf ihrem Profilbild und ihre grünen Augen und ihre tolle Ausstrahlung warfen mich komplett aus der Bahn. In der Bar angekommen suchten wir uns eine kuschelige Ecke und redeten stundenlang über Gott und die Welt. Wir waren beide immer wieder aufs Neue erstaunt, wie unglaublich ähnlich unsere Wünsche, Ansichten und Vorlieben waren.
Als ich mich später von ihr an der Bahnhaltestelle verabschiedete, hatte ich wacklige Knie und Herzrasen. Nachdem sie in die Bahn eingestiegen war, war ich innerlich stark aufgewühlt. Ich war mega geflasht von Sandy, konnte mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine tolle Frau wie sie, Interesse an mir haben könnte. Da ich die ganze Zeit so aufgeregt und damit beschäftigt war, mich nicht komplett um Kopf und Kragen zu reden, konnte ich schwer einschätzen, welches Bild ich bei ihr hinterlassen hatte. Umso aufgeregter war ich, als sie mir schrieb, dass sie den Abend ebenfalls mega schön fand und mich einlud ein paar Tage später sie zu besuchen und mit ihr zusammen zu kochen. Zuhause angekommen loggte ich mich schnurstracks in Friendscout24 ein und löschte meinen Account.
Unser gemeinsames Kochen fand in ihrer 20qm Wohnung in Buxtehude statt. Ihre Wohnung bestand quasi nur aus einem Bett, einer kleinen Küchenzeile, einem Mini-Tisch, einem Mini-Bad und einem kleinen Balkon. Wir aßen, was wir leckeres in der Küche gezaubert hatten und tranken Wein. Danach rollten wir uns aufs 1m entfernte Bett und begannen den Film „Hitch – der Date Doktor“ zu schauen. Ich saß den ganzen Film angespannt neben ihr und traute mich nicht den ersten Move zu machen, da ich nicht zu vorschnell vorpreschen wollte. Im späteren Verlauf des Films kamen wir dann zu einer bekannten Szene, in der Will Smith, dem Schauspieler von Dough Heffernan in King of Queens die 90/10 Regel erklärt, wonach der Mann 90% und die Frau 10% des Weges beim Kuss gehen soll. Sandy drehte sich mit einem Grinsen zu mir und meinte nur: „Das können wir besser“. Ich schaute kurz verdutzt, nahm dann ihren Kopf in beide Arme und küsste ihre Lippen – Feenstaub rieselte auf den Boden. Wir verbrachten eine wunderschöne Nacht miteinander und ich fuhr am nächsten Morgen mit Schmetterlingen im Bauch nach Hause.
Eine Woche später feierte Sandy ihren Geburtstag in meinem Lieblings-Club. Bewaffnet mit einem guten Freund im Schlepptau, stieß ich kurz vor Mitternacht zu ihr und ihrer giggelnden und schon angetrunkenen Mädelstruppe. Ich gratulierte ihr zum Geburtstag und umarmte sie. Sie huschte schnell zur Garderobe und zauberte einen süßen Muffin hervor, den sie extra für mich und mit O-Ton „viel Liebe“ gebacken hatte. Ein paar Minuten später spielte der DJ eines meiner Lieblingslieder: Butterfly von Crazy Town. Ich zog Sandy auf die Tanzfläche, fuhr ihr durch ihre glatten Haare und küsste sie. Sie schaute mit leicht roten Backen zu mir hoch und sagte „Meine Freundinnen fragen mich, ob wir zusammen sind – was soll ich ihnen sagen?“ Ich grinste über beide Backen, hauchte „Ja wir sind zusammen“ und presste ihre Lippen auf meine.
Manchmal schreibt das Leben Geschichten, die wenn sie in einer Serie stattfinden würden, sie uns nur ein „Neeee klar“ entlocken würden. Sandy war die erste Frau, die mich wirklich tief berührt hat. Ich habe durch sie so viel über mich und die Welt gelernt. Angefangen bei dem Mythos, dass jemand „außerhalb unserer Liga“ sein könne. Mit zusätzlicher Lebens- und Dating-Erfahrung, kann ich eindeutig sagen, dass das Bullshit ist. Es gibt hier kein „besser“ oder „schlechter“. Wir sind alle auf unsere wunderbare Art und Weise einzigartig und besonders. Und wir können gar nicht erahnen wer sich in uns verlieben könnte bzw. wo unsere Liebe hinfallen wird. In der Welt der Liebe ist nichts unmöglich. Greife nach den Sternen und mit etwas Glück erwischst du einen.