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Ein Schuss – ein Treffer

„Ich suche einen Grund, um mich von allen Dating-Plattformen wieder abzumelden – vielleicht bist du es ja?“ So oder so ähnlich könnte der passende, cheesy Profilspruch klingen, der beschreibt wie ich meine erste Freundin Sandy kennengelernt hatte.

Dating-Plattformen heutzutage bergen die Gefahr, dass man abstumpft und cold-motherfucker-mäßig einfach im Sekundentakt nach links oder rechts swipt und den ersten oberflächlichen Eindruck des Profilbildes den Ton angeben lässt. Im Meer der Möglichkeiten werden Gespräche zunehmend austauschbarer, Kontakte flüchtiger und eine verzerrte Wahrnehmung der Realität manifestiert sich. Vor allem bei der Frauenwelt, die schon am ersten Tag mit hunderten von Nachrichten bombardiert wird. Kein Wunder, dass Frau schnell denkt, dass sie on top of the world ist und nur noch nach Gründen und Makeln sucht, um die Flut der „Bewerber“ weiter auszudünnen.

Doch diese Story spielt sich noch vor den Hochzeiten von Tinder, Lovoo und Co ab. Es gab nur einen Sheriff in Town – und der hieß Friendscout24. Es war spannend, es war neu und es öffnete das Tor zu neuen spannenden Menschen und überbrückte auch große Distanzen mit nur einem Klick. Online-Dating war und ist für mich eine tolle Ergänzung zum Kennenlernen von Menschen im „echten“ Leben und bezirzt mich mit dem stillen Versprechen, dass ich hierüber einen tollen Menschen kennenlernen kann, dem ich ansonsten nie begegnet wäre. Entweder weil sich unsere Wege nie gekreuzt hätten oder weil wir nie auf die Idee gekommen wären, dass der andere uns genauso umwerfend findet wie wir ihn. Das Sahnehäubchen ist, dass beide hier einen viel sanfteren Gesprächseinstieg haben, man mehr Zeit hat seine Worte weise zu wählen und der Gesprächspartner nicht innerhalb von wenigen Sekunden ad hoc entscheiden muss, wie er auf die Avance reagieren soll – und vielleicht als Abwehrreaktion vorschnell den Rückzug antritt. So, genug der Online-Dating-Beweihräucherung.

Nachdem ich mich also bei Friendscout24 angemeldet hatte, fiel mir direkt ein Profilbild ins Auge. Im Gegensatz zu all den anderen, meist körperbetonten Bildern, war hier nur ein süßes Gesicht zu sehen, dass mir verschmilzt entgegenlächelte. Ich schrieb sie direkt an und spürte schon vom ersten Satz eine knisternde Connection zwischen uns beiden. Das Gespräch war wie ein spannendes Ping-Pong-Spiel, bei dem wir uns die Gesprächs-Bälle hin und her spielten und von Sekunde zu Sekunde zeigte sich immer mehr, wie ähnlich wir tickten und dass wir auf der gleichen Humor-Welle surften. Ihr Name war Sandy und sie wohnte 20km entfernt in einem verschlafenen Ort, der nur für seine Sprach-Universität bekannt war. Wie der Zufall es wollte – war sie am nächsten Tag in meiner Stadt und so verabredeten wir uns spontan abends auf einen Cocktail.

Als wir uns am vereinbarten Treffpunkt trafen, verschlug es mir den Atem. Sie sah noch viel süßer aus als auf ihrem Profilbild und ihre grünen Augen und ihre tolle Ausstrahlung warfen mich komplett aus der Bahn. In der Bar angekommen suchten wir uns eine kuschelige Ecke und redeten stundenlang über Gott und die Welt. Wir waren beide immer wieder aufs Neue erstaunt, wie unglaublich ähnlich unsere Wünsche, Ansichten und Vorlieben waren.

Als ich mich später von ihr an der Bahnhaltestelle verabschiedete, hatte ich wacklige Knie und Herzrasen. Nachdem sie in die Bahn eingestiegen war, war ich innerlich stark aufgewühlt. Ich war mega geflasht von Sandy, konnte mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine tolle Frau wie sie, Interesse an mir haben könnte. Da ich die ganze Zeit so aufgeregt und damit beschäftigt war, mich nicht komplett um Kopf und Kragen zu reden, konnte ich schwer einschätzen, welches Bild ich bei ihr hinterlassen hatte. Umso aufgeregter war ich, als sie mir schrieb, dass sie den Abend ebenfalls mega schön fand und mich einlud ein paar Tage später sie zu besuchen und mit ihr zusammen zu kochen. Zuhause angekommen loggte ich mich schnurstracks in Friendscout24 ein und löschte meinen Account.

Unser gemeinsames Kochen fand in ihrer 20qm Wohnung in Buxtehude statt. Ihre Wohnung bestand quasi nur aus einem Bett, einer kleinen Küchenzeile, einem Mini-Tisch, einem Mini-Bad und einem kleinen Balkon. Wir aßen, was wir leckeres in der Küche gezaubert hatten und tranken Wein. Danach rollten wir uns aufs 1m entfernte Bett und begannen den Film „Hitch – der Date Doktor“ zu schauen. Ich saß den ganzen Film angespannt neben ihr und traute mich nicht den ersten Move zu machen, da ich nicht zu vorschnell vorpreschen wollte. Im späteren Verlauf des Films kamen wir dann zu einer bekannten Szene, in der Will Smith, dem Schauspieler von Dough Heffernan in King of Queens die 90/10 Regel erklärt, wonach der Mann 90% und die Frau 10% des Weges beim Kuss gehen soll. Sandy drehte sich mit einem Grinsen zu mir und meinte nur: „Das können wir besser“. Ich schaute kurz verdutzt, nahm dann ihren Kopf in beide Arme und küsste ihre Lippen – Feenstaub rieselte auf den Boden. Wir verbrachten eine wunderschöne Nacht miteinander und ich fuhr am nächsten Morgen mit Schmetterlingen im Bauch nach Hause.

Eine Woche später feierte Sandy ihren Geburtstag in meinem Lieblings-Club. Bewaffnet mit einem guten Freund im Schlepptau, stieß ich kurz vor Mitternacht zu ihr und ihrer giggelnden und schon angetrunkenen Mädelstruppe. Ich gratulierte ihr zum Geburtstag und umarmte sie. Sie huschte schnell zur Garderobe und zauberte einen süßen Muffin hervor, den sie extra für mich und mit O-Ton „viel Liebe“ gebacken hatte. Ein paar Minuten später spielte der DJ eines meiner Lieblingslieder: Butterfly von Crazy Town. Ich zog Sandy auf die Tanzfläche, fuhr ihr durch ihre glatten Haare und küsste sie. Sie schaute mit leicht roten Backen zu mir hoch und sagte „Meine Freundinnen fragen mich, ob wir zusammen sind – was soll ich ihnen sagen?“ Ich grinste über beide Backen, hauchte „Ja wir sind zusammen“ und presste ihre Lippen auf meine.

Manchmal schreibt das Leben Geschichten, die wenn sie in einer Serie stattfinden würden, sie uns nur ein „Neeee klar“ entlocken würden. Sandy war die erste Frau, die mich wirklich tief berührt hat. Ich habe durch sie so viel über mich und die Welt gelernt. Angefangen bei dem Mythos, dass jemand „außerhalb unserer Liga“ sein könne. Mit zusätzlicher Lebens- und Dating-Erfahrung, kann ich eindeutig sagen, dass das Bullshit ist. Es gibt hier kein „besser“ oder „schlechter“. Wir sind alle auf unsere wunderbare Art und Weise einzigartig und besonders. Und wir können gar nicht erahnen wer sich in uns verlieben könnte bzw. wo unsere Liebe hinfallen wird. In der Welt der Liebe ist nichts unmöglich. Greife nach den Sternen und mit etwas Glück erwischst du einen.

Grün und gelb

All you need is love, love. Love is all you need…

Ach ist das wirklich so, liebe Beatles? Mein jüngeres Ich würde hier mit einem deutlichen und entschiedenen „JA!“ antworten. Doch mein älteres und erfahrenes Ich legt die Stirn in Falten und weiß, dass es leider nicht ganz so einfach ist. Doch diese Erkenntnis war teuer erkauft.

Spulen wir also einige Jahre zurück – Nach zwei Jahren intensiver Beziehung mit meiner ersten Freundin Sandy, beschlossen wir zusammen zu ziehen, um uns nicht nur am Wochenende sehen zu können, sondern jede Nacht eng umschlungen zusammen einzuschlafen und morgens aneinander gekuschelt aufwachen zu können.

Sandy war gerade dabei im Eiltempo ihren Doktor in Französisch an der Uni in Buxtehude zu machen und ich hatte gerade einen neuen Job in der Nähe meiner Heimatstadt angetreten. Sandys Traum war es schon lange für mehrere Jahre in Frankreich zu leben, doch für den Traum von unserem gemeinsamen Zuhause, schob sie ihr Vorhaben gedanklich zu Seite und wir beschlossen in einen schnuckligen Stadtteil meiner Heimatstadt zu ziehen.

Erste gemeinsame Wohnung, unser eigenes Reich schaffen – Zwei Sichtweisen, zwei Lebensweisen, zwei Welten miteinander verbinden.

Ich war überglücklich mit Sandy endlich jeden Tag verbringen zu können. Am Anfang unserer Beziehung manifestierte sich bei mir der Gedanke, dass es mir egal war, wo auf der Welt ich mich befand, solange meine bessere Hälfte Sandy mit mir war. Bei Sandy fühlte ich mich zuhause.

Doch der Übergang von einer Fernbeziehung zu wir-verbringen-jeden-Tag miteinander hatte auch eine Kehrseite. Man lernt die andere Person wirklich kennen, man entdeckt neue tolle Seiten, aber auch immer mehr gefühlte Ecken und Kanten.

Im kommenden dreiviertel Jahr wurden mir unsere Unterschiede leider immer weiter bewusst. In der Anfangszeit einer Beziehung ist man oft blind und hat eine rosa Brille an. Doch wenn sich der Schleier der anfänglichen Verliebtheit legt, ertappt man sich immer häufiger darin, dass bestimmte Eigenarten des Partners kurz anecken. Man wischt den Gedanken dann schnell zur Seite. Doch die Häufigkeit und die Verweildauer dieser Gedanken nimmt zu – bis zum Punkt, an dem man bestimmte Gedanken nicht mehr unbewusst verdrängen kann und Widersprüche aktiv wahrgenommen werden. Widersprüche in den Ansichten und Verhaltensweisen. Gegossen mit Zeit können diese Gedanken zu Fragen heranwachsen, die man sich nicht stellen möchte. Fragen wie: Passen wir zusammen? Kann ich mit meinem Partner glücklich werden? Sehe ich das „White dress and happily ever after“ am Horizont oder entgleitet es mir?

Gegensätze ziehen sich an aber gleich und gleich gesellt sich gern. Welcher Spruch trifft den Nagel nun auf den Kopf? Ich denke, dass wir sehr oft im Partner Dinge suchen, die uns bzw. unsere Idealvorstellungen ergänzen. Doch die Basis für eine langanhaltende glückliche Beziehung ist in meinen Augen, dass man in zentralen Punkten gleich tickt. Es gibt hierzu unzählige Persönlichkeitsmodelle, die natürlich stark vereinfacht sind und nur auf bestimmte Bereiche den Fokus legen. Eines dieser Persönlichkeitsmodelle teilt die unterschiedlichen Charaktere in 4 Farben ein: rot, blau, grün und gelb. Jeder Farbtyp wird durch unterschiedliche Ziele motiviert und trifft Entscheidungen auf Grund von unterschiedlichen Faktoren. Während der rote Typ danach strebt Status, Macht oder Geld zu erlangen, kennzeichnet den blauen Typ, dass er sehr rational vorgeht und meistens auf Basis der puren Faktenlage seine Entscheidungen fällt. Der grüne Typ ist ein Harmoniemensch, dem es wichtig ist, eine sichere Basis zu schaffen und auf Routinen aufbaut. Der gelbe Typ hingegen brauch andauernd neuen Input, will ständig neues erleben, viel Reisen und hat Hummeln im Hintern.

Natürlich gibt es auch Mischformen bei den Charaktertypen, aber eine Farbe ist meistens dominant. Und es gibt Farbtypen, die by Design nicht wirklich kompatibel sind, wie zum Beispiel grün und gelb. Und jetzt rate mal welchen Farblagern Sandy und ich angehörten… Sandy war gelb wie die Sonne. Direkt nach dem Abi war sie für 2 Jahre durch Australien gereist und hatte die halbe Erde schon abgeklappert. Ihre Spezialität war es für einen Apfel und ein Ei durch die Gegend zu reisen und sie zog es spätestens alle paar Wochen in fremde Städte. Ich auf der anderen Seite war grün wie das Gras. Ich brauchte eine sichere Base, war und bin ein absoluter Harmoniemensch und wiederhole Dinge, die sich richtig anfühlen gerne. Sandy und ich – zwei unterschiedliche Welten, die miteinander verschmelzen möchten. Und oh Gott waren wir unterschiedlich.

Eines von vielen Beispielen: Sandy war ein Frühaufsteher – sie liebte es mit den ersten Sonnenstrahlen aufzustehen, Wochen- und Flohmärkte abzuklappern und schon morgens das komplette Sportprogramm abzuspulen. Ich wiederum war ein Spätaufsteher, eine Nachteule, jemand der mit jeder Stunde des Tages zusätzliche Energie tankte und dessen physische und psychische Prime Time im späten Abend lag. Die Beantwortung der großen Fragen des Lebens und körperlichen Höchstleistung erbringe ich zwischen 18 und 2 Uhr nachts. Team Eule in da House *dab*. Doch wie bringt man diese gegensätzlichen Welten unter einen Hut? Es gibt zwei Antworten.

Die erste lautet: Indem man realisiert und akzeptiert, dass man in manchen Bereichen sehr unterschiedlich tickt und den Gedanken loslässt, dass man mit der anderen Person alles zusammen machen muss. Stattdessen lebt jeder seinen eigenen Rhythmus, lebt nach seinen eigenen Werten und dort wo es passt verbindet man sich und genießt die gemeinsame Zeit. Man hilft dem anderen dessen Wünsche und Träume Realität werden zu lassen und das Leben nach seinem eigenen inneren Kompass zu leben. Zwei eigenständige Menschen, die sich nicht brauchen aber sich gegenseitig wollen. Zwei Menschen, die Eigenarten tolerieren, die von der eigenen Lebensschablone abweichen und sich gegenseitig genau so lieben wie sie sind. Mit allen Ecken und Kanten.

Die zweite Anwort lautet: Man versucht sich in der Mitte zu treffen. Ich muss vorab sagen: Ich bin ein großer Gegner vom Wort Kompromiss. Ich präzisiere: Ich bin ein großer Gegner von einem gefühlten Kompromiss. Wenn man aufeinander zugeht und es sich nicht wie ein Kompromiss anfühlt: Jackpot. Doch ansonsten fühlt es sich an wie ein Zurückstecken, wie ein: keiner bekommt genau das was er will und braucht. In meinen Augen ist dafür das Leben zu kurz, zu kostbar.

Und nach und nach färbte sich unsere Beziehung genau in diese Richtung. Ich fühlte mich mehr und mehr unter Druck gesetzt auf Sandy zuzugehen. Ich spürte u.a. den Druck früh aufzustehen und viel zu reisen. Ich fühlte mich wie der Faktor in ihrem Leben, der sie daran hinderte ihrem inneren Ruf zu folgen und die Welt zu erkunden und neue Erfahrungen zu machen. Es war das erste Mal im Leben, dass ich das unterschwellige Gefühl hatte, für meinen Partner nicht genug zu sein. Gleichzeitig fielen mir immer mehr Charakterzüge von Sandy negativ auf. Es gibt einen Spruch, der besagt: Ich wünsche mir einen Schwan, der früher ein hässliches Entlein war, aber nicht weiß, dass er inzwischen ein Schwan ist. Sandy wusste, dass sie ein Schwan war – sie wurde täglich mehrmals von fremden Typen angesprochen, die ihr sagten, wie toll sie war. Ihre Freundinnen bewunderten sie und sogar viele Frauen fanden Sie attraktiv und sagten ihr offen, dass sie an sexuellen Kontakten mit ihr interessiert waren. Zusätzlich himmelten die Mädels aus dem Französisch Kurs den sie an der Universität in Buxtehude hielt sie an – kurzum sie bekam von allen Seiten gesagt, wie toll sie war.

Je mehr ich mich auf sie zubewegte, desto mehr hatte ich das Gefühl mich von mir selbst zu entfernen. Ich realisierte, dass unsere Beziehung ein Haltbarkeitsdatum hatte. Und dieses Haltbarkeitsdatum lag nicht in weiter Zukunft am Horizont des letzten Atemzugs, sondern kam unaufhaltsam immer näher. Ich realisierte, dass weder Sandy noch ich in unserer Beziehung auf lange Sicht glücklich sein würden und unsere Träume auf der Strecke bleiben würden.

Nach unserer Trennung fiel ich in ein sehr tiefes Loch. Es heißt man brauch genau so lange, um über die erste Beziehung hinwegzukommen, wie sie gedauert hatte. Das kann ich unterschreiben: 2,5 Jahre und viel Soul-Searching später, hatte ich meinen emotionalen Frieden damit geschlossen. Heute weiß ich, dass Liebe alleine nicht ausreicht. Liebe überwindet nicht alle Grenzen. Man muss auch wirklich zusammen passen, damit beide eine erfüllte Beziehung und ein authentisches Leben miteinander führen können.

Ich bin zutiefst dankbar für die gemeinsame Zeit mit Sandy und bin während unserer Beziehung enorm gewachsen. Ich habe sehr feine Fühler entwickelt, die erkennen, ob jemand zu mir passt oder nicht. Ich lebe heute nach dem Motto:„Fall in Love with the Process, not the Result“. Auf die Beziehungsebene angewendet heißt das so viel wie: Verliebe dich nicht in die Person, die dein Partner in der Zukunft sein könnte, sondern in die Person, die er heute tagtäglich ist.

Bedingungslose Liebe ist rar. Sehr rar. Man liebt dabei die andere Person nicht dafür, dass sie das eigene Leben bereichert, sondern dafür, dass sie so ist wie sie ist. Bedingungsloser Liebe fußt auf dem Wunsch, dass man unbedingt möchte, dass die andere Person glücklich wird und ein erfülltes Leben führt – auch wenn es bedeutet, dass es nicht mit dir selbst ist.

Manchmal muss man jemanden loslassen, damit er fliegen kann.

Love.

Linke Hand – rechte Hand

Lissabon, die Stadt der 7 Hügel und der 1000 wunderschönen Ausblicke – hierhin verschlug es mich zusammen mit meinem Best Buddy in den Sommermonaten für 12 Tage. Fast zwei Wochen zum Seele baumeln lassen, die Stadt erleben, fühlen und schmecken. Den rauen Wind und die salzige Luft des atlantischen Oceans einatmen und in die charakteristische Stille und Melancholie der Stadt eintauchen. Viel Zeit, um dem Alltag zu entfliehen und sich komplett von der reizüberfluteten Onlinewelt abzukoppeln – in der Theorie zumindest.

In der Realität hatte ich on top Lust auf aufregende Begegnungen mit ein paar süßen Portugiesinnen und der erfolgversprechendste Weg dorthin führte für mich gedanklich fast unweigerlich über Tinder und Co. So begann schon im Vorfeld eine Reise, in deren Verlauf ich zu viel Zeit und Energie ins Onlinedating investierte. Auf dem Weg nach Lissabon – swipte ich. In unserem Hostel – swippte ich. Während unserem 3-tägigen Abstecher in das verschlafene Fischerdorf von Cascais – swippte ich. Während unserer Fahrradtour entlang der Küste – swippte ich. Sogar während unserem Tripp zum malerischen Palacia Nacional da Pena in Sintra – suprise: swippte ich.

Mein Highspeed Datenvolumen war schon längst aufgebraucht, als ich zurück im WLAN unseres Hostels mit einem Match mit einer schönen blonden Holländerin überrascht wurde. Ihr Name war Anissa. Sie war allein in Lissabon im Urlaub und hatte wie wir vor, am nächsten Tag einen der Strände außerhalb von Lissabon unsicher zu machen. Wie der Zufall es wollte, landeten wir am gleichen Strand und beschlossen spontan uns zu treffen. Ich fand sie im Schatten eines Sonnenschirms mit Sonnenbrille, hellgrünem Bikini und zwei leeren Cocktailgläsern neben ihrer Liege. Sie hatte sehr helle Haut, glatte blonde Haare und die Statur eines Modells – lange Beine, einen trainierten Körper, filigrane Gesichtszüge und ein freches Grinsen. Wir waren sofort auf einer Wellenlänge und verabredeten uns auf einen Cocktail am gleichen Abend.

Mit schlechtem Gewissen ließ ich meinen Freund im Hostel mit zwei Kanadiern und zwei deutschen Girls zurück und traf Anissa in der Lissaboner Innenstadt. Sie hatte sich herausgeputzt, trug ein schwarzes, kurzes Kleid und sah hot as fuck aus. Im Angesicht ihres Vamp Looks ertappte ich mich wieder beim Gedanken, dass sie eigentlich außerhalb meiner Liga war. Ich wischte den Gedanken beiseite und wir steuerten die nächst Cocktailbar über den Dächern von Lissabon an. Einige Cocktails später saßen wir Händchenhalten am Tisch, zogen uns gegenseitig mit Blicken aus und jeder Vorbeilaufende konnte sehen, worauf der Abend hinauslaufen würde. Doch die große Frage war nicht worauf, sondern wohin.

Im Radius der Innenstadt fanden wir keine Ecke, in der wir ungestört übereinander hätten herfallen können und so loteten wir unsere restlichen Optionen aus: Mein Hostel schied leider auf Grund des Gefängniswärter-haften Türstehers aus und so steuerten wir Anissas Hostel an. Nachdem sie ihr Zugangsarmbad dem Wächter gezeigt hatte, huschte sie nach oben und warf mir ihr Armband über ein Fenster zur Straße herunter. Ich folgte ihrem Vorbild und zwei Minuten später standen wir vor ihrer Zimmertür. Wie sich herausstellte waren zwei ihrer Zimmerkammeraden leider anwesend und spielten auf ihrem Laptop. 5 Minuten und 5 Euro Bestechungsgeld später waren wir allein im Zimmer auf ihrem Bett und zogen uns wild knutschend gegenseitig aus. Kurze Zeit später platzte einer ihrer Mitbewohner herein und wollte das Zimmer für einen Skype-Call mit seiner Freundin in Anspruch nehmen. Wir zogen uns an, liefen aus dem Zimmer und schauten uns nach einer Möglichkeit um, ungestört dort weitermachen zu können, wo wir aufgehört hatten. Wir liefen in den Duschbereich und sahen ein angelehntes Fenster, dass nach draußen auf eine Feuertreppe führte. Wir stiegen hinaus, schlossen das Fenster von außen und fanden uns inmitten von weißer Bettwäsche wieder, die über der Feuertreppe im New Yorker Style aufgehängt war. Die Bettwäsche wurde zu unserem Nest und wir verbrachten eine heiße und versaute laue Sommernacht miteinander. Am nächsten Morgen tauschten wir unsere Nummern aus und blieben noch ein paar Wochen danach in Kontakt, bis unsere Gespräche abebbten.

Außer dieser verrückten Erinnerung nahm ich noch ein anderes Andenken mit nach Deutschland – Introducing: Chlamydien… Ich hatte aufgepasst während der Nacht und natürlich ein Kondom benutzt, aber anscheinend nicht gut genug. Das Problem war aber nicht das Kondom, sondern die Missachtung eines ungeschriebenen Gesetzes: Der „linke Hand – rechte Hand“ Regel. Um wirklich auf Nummer sicher zu gehen, sollte man(n) eine Hand bestimmen, die nur zum beglücken der Frau benutzt wird und eine, die für die Artillerie (/den eigenen Penis) bestimmt ist. Macht man das nicht, kann man Pech haben. Und Pech heißt mit Nachnamen STD. Safety Sex Rob out.

Fucking and Punshing

Meine gesamte Jugend war ich sehr introvertiert und schüchtern gegenüber neuen Menschen und besonders gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Doch noch mehr war und bin ich ein hoffnungsloser Romantiker, der an die Große Liebe glaubt und sehr viel Liebe zu geben hat #Giver

Meine sexuelle Reise begann verhältnismäßig spät, mit 21 Jahren um genau zu sein. Ich hatte die Vorstellung, dass mein erstes Mal mit jemandem sein würde, den ich liebe – eine magische, zärtliche Boyfriend-Girlfriend Nacht bei Kerzenschein. Doch dank meiner Schüchternheit, fehlender Initiative und ein paar fiesen Sportverletzungen, stand ich nun bei flackerndem Licht, künstlichem Nebel und pumpenden Bässen in der Disco, mein zigster Cuba Libre in der linken Hand.

Mit jedem Schluck wurde mir klarer, dass meine romantische Vorstellung vom ersten Mal in weiter Ferne lag und so beschloss ich kurzerhand, dass dies die Nacht werden würde, in der ich das Sex-Ruder in die eigene Hand nehmen und mir nicht Mrs. Right, sondern Mrs. Right Now suchen würde.

Auf der Tanzfläche wurde ich schließlich fündig – Barbara, über 10 Jahre älter als ich, sportlich, helle geschmeidige Haut, rabenschwarze Haare und ebenfalls „etwas“ tipsy. Unsere Blicke trafen sich, ich ging schnurstracks auf sie zu und nach einem kurzen belanglosen Smalltalk tanzten wir miteinander. Nachdem wir unsere Körper gegenseitig abgetastet hatten, fanden sich unsere Lippen, unsere Zungen und ehe ich mich versah, standen wir in ihrer Wohnungstür. Im Gang machten wir wild miteinander rum, fingen an uns auszuziehen und verlagerten das ganze dann in ihr Schlafzimmer.

Als ich sie nach Kondomen fragte, meinte sie, dass sie nicht sicher sei, ob sie welche dahätte und implizierte, dass wir es ohne treiben sollten. Nachdem ich ihr klar gemacht hatte, dass es ohne Gummiemütze keinen Sex geben würde, fiel ihr auf einmal ein, dass sie doch noch welche hier hätte und zauberte eine Herzschachtel, gefüllt mit Kondomen, aus ihrer Schublade hervor. Fuck – Ich war auf einmal hellwach und rief mir diverse Safety-Sex Regeln ins Gedächtnis.

Sie gab mir zu verstehen, dass sie auf die härte Gangart stand und so ging es direkt zur Sache. In den folgenden Stunden spulte ich alles was ich bis dahin in Pornos gesehen hatte ab, von Deepthroat, Dirty Talk, Spitting und Analsex war alles dabei. Dann meinte sie „Schlag mich“, woraufhin in ihr einen starken Klaps auf den Hintern gab. „Schlag mich ins Gesicht“ – ich zögerte kurz und gab ihr dann mit der flachen Hand einen Schlag auf die Backe. „Schlag mich mit der Faust“ – Nope, hier zog ich meine Linie und konzentrierte mich stattdessen weiter auf meine Porno-Checkliste.

Nach ein paar weiteren Runden war der Kuchen dann für mich gegessen und ich verschwand in die Dusche. Als ich wieder herauskam und mich anzog, hörte ich das Einrasten des Schlosses der Haustür. Ich ging in den Gang und realisierte, dass sie die Eingangstür abgeschlossen hatte und nicht daran dachte mich gehen zu lassen. Ich sagte ihr, dass es zwei Möglichkeiten gäbe: Sie könne die Tür aufmachen oder ich würde sie eintreten. Doch das machte sie nur noch geiler und sie sprang mich direkt an und wollte mir die Kleider wieder herunterreißen. Nachdem ich ihr klar gemacht hatte, dass ich definitiv jetzt nach Hause gehen würde, ging sie den Schlüssel holen, schloss die Tür auf und verabschiedete sich von mir.

Der Heimweg kann nur als Walk of Shame bezeichnet werden, ich fühlte mich dreckig, benutzt und hatte das Gefühl, dass ich etwas verloren hatte, worüber ich mich auch zum Teil definiert hatte – meine romantische Vorstellung, dass ich mich für die richtige Person aufsparen würde. Zuhause angekommen, duschte ich mich dreimal und legte mich dann schlafen. Am nächsten Tag teilte ich das ganze mit meinen engen Freunden, die natürlich die pornöse Nacht feierten.

Das ganze hatte noch ein bizarres Nachspiel, als ich zwei Wochen später wieder in der Disco war und nach einem Gang auf die Toilette von meinem Freund erfuhr, dass Barbara einem Mädchen mit dem ich mich unterhalten hatte, damit gedroht hatte, dass sie ihr den Hals aufschlitzt würde, wenn sie noch einmal mit mir redet #Psycho

Auch wenn mein erstes Mal weit entfernt von meiner Wunschvorstellung war, bin ich rückblickend doch froh, dass ich nicht länger gewartet habe. Ich sehe Dating und alles was dazu gehört als eine Reise an, bei der man interessante Personen kennenlernt, verrückte Dinge erlebt, Spaß hat und am Ende die richtige Person trifft. Es ist wichtig, dass man sich in Situationen bringt, bei denen die Wahrscheinlichkeit steigt, dass irgendwann that special someone vor dir steht. Dann kommt alles darauf an, dass du das richtige Mindeset hast, aufmerksam genug bist, um sie zu erkennen und die Eier in der Hose hast, um auf sie zuzugehen und „Hi“ zu sagen.